von Horst Westphal
Beim Aufbau einer digitalen Infrastruktur ist die Bundesrepublik ein Entwicklungsland. Die jahrzehntelange Vernachlässigung unter der Merkel-Regierung versucht Olaf Scholz mit seiner konfliktreichen Ampelkoalition auszugleichen. Scholz kündigte “massive Investitionen in den flächendeckenden Ausbau von Glasfaser und Mobilfunknetzen” an.
Dafür wurden neue Gremien gebildet, große Konferenzen und Tagungen organisiert. Als Ergebnis teilte Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr mit: Die Telekommunikationsbranche wird allein in den privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau 50 Milliarden Euro bis 2025 investieren. Und auch die Bundesregierung will Milliarden in die Hand nehmen.
Nach den vielen schönen Worten lohnt ein Blick auf die Realität, und die sieht jetzt so aus: In der Wirtschaft scheint angesichts der angekündigten hohen Investitionen eine Art von Goldrausch ausgebrochen zu sein.
Weitaus größter Investor ist die Telekom. Allein 2023 hat sie mehr als 2,5 Millionen neue Glasfaseranschlüsse hergestellt und über 2,5 Milliarden investiert, mehr als jeder andere Wettbewerber. Ein Vorteil: Genutzt wird meist ein kleines Gerät, das sich von der Straße aus wie ein Maulwurf zum Haus durchgräbt, sodass kaum Erdarbeiten erforderlich sind.
Man kommt voran, doch an der Planung scheint es zu hapern. Der Haken ist, dass sich der Ausbau des Glasfasernetzes für Telekommunikationsunternehmen vor allem dort lohnt, wo viele Menschen leben, also in den Städten. Die ländlichen Bereiche geraten ins Hintertreffen und sind auf öffentliche Mittel angewiesen.
Die Glasfaserleger konzentrieren sich auf die dicht besiedelten Gebiete und jeder sucht sich offenbar dann auch den einfachsten Weg aus. Die Folge ist, dass in vielen Bereichen die Glasfaserkabel doppelt oder sogar dreifach liegen.
In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der CDU-Fraktion heißt es, dass bis Oktober 294 Meldungen über einen Glasfaser-Doppelausbau eingegangen sind. Und das, obwohl es bei der Bundesnetzagentur eine mit mehreren Beamten besetzte Monitoringstelle gibt, die das verhindern soll. Eine Verschwendung von Material, Geld und Zeit.
Ein Beispiel ist Lübeck:
Die Telekom hat hier bereits einen großen Teil der Stadt mit Glasfaserkabeln ausgestattet. Das Netz ist noch nicht vollständig und nicht aktiv. Doch gleichzeitig haben sich die Stadtwerke entschlossen, ein eigenes Glasfasernetz anzulegen. Hausbesitzer, denen schon ein Kabel der Telekom bis ins Gebäude gelegt wurde, werden von den Stadtwerken gedrängt, ihr Kabel ebenfalls bis ins Haus ziehen zu lassen. Auch angeblich kostenlos. Doch beide Unternehmen wollen sich ihre hohen Investitionen später über die Gebühren ihrer Kunden wieder hereinholen.
Die Lübecker Stadtwerke bestätigen, dass in ihrem Bereich ihre Glasfaserkabel mit denen der Telekom teilweise parallel laufen. Sie müssen sicher mehrere hundert Kilometer Kabel legen.
Beide Unternehmen spielen nicht mit offenen Karten. Die Werber der Telekom verschweigen, dass das Glasfaserkabel nicht mit der bisherigen Verkabelung des Hauses kompatibel ist. Die Konsequenz: Entweder müssen alle Kabel neu gelegt werden oder es müsste ein sogenanntes Wireless-Lan-System installiert werden. Letzteres wohl eher eine Aufgabe für einen Fachmann.
Die Werber der Stadtwerke erreichen durch einen Redeschwall, dass man dem Besuch eines Technikers zustimmt, der die Möglichkeit einer Kabelverlegung prüfen soll. Allerdings erhält man schon wenige Tage darauf ein Schreiben, mit dem man eine „Auftragsbestätigung“ mit einer Preistabelle über die künftige Kabelgebühr erhält.
Zwei Glasfaserkabel in einem Haus? Man könnte einverstanden sein nach dem Motto: Doppelt hält besser. So einfach ist das nicht. Denn beide Unternehmen verpflichten den Abnehmer, für mindestens ein Jahr lang alle seine Programme – Computer, Fernsehen und Telefon – über ihr Kabel laufen zu lassen. Man kann schnell in einen Vertragsdschungel geraten.
Kurz nach den Glasfaserkabel-Angeboten traf ein Brief von Vodafone ein mit der Nachricht „Mehr Bandbreite für Dich“. Die Download- und die Upload-Geschwindigkeiten würden drastisch erhöht.
Was tun? Ich habe bei den Stadtwerken den „Auftrag“ widerrufen und bei der Telekom die Glasfaser-Verbindung abbestellt. Und bleibe beim Vodafone-Kabel.