1901-1986 Frankfurt/Main
Erste Ministerin der Bundesrepublik Deutschland, Juristin
Mit Sit-in zur 1. Ministerin der Bundesrepublik (1961-1966)
Adenauer hatte sein Versprechen, eine Frau ins Kabinett aufzunehmen, weder 1957 noch 1961 eingehalten. Dies erboste Dr. Helene Weber so sehr, dass sie eine Sitzblockade von CDU-Abgeordneten vor dem Kabinettssaal organisierte Sie forderten die Berufung einer Frau ins Kabinett. Adenauer gab nach, obwohl alle Ministerposten schon vergeben waren, und ernannte Elisabeth Schwarzhaupt zur Gesundheitsministerin. Fortan gab es in allen Bundesregierungen Ministerinnen.
Warum halte ich diese Frau für bedeutend?
Sie widersetzte sich öffentlich 1932 dem nationalsozialistischen Frauenbild, half entscheidend mit, das patriarchalisch geprägte Bürgerliche Gesetzbuch nach 1949 zugunsten gleicher Rechte für Frauen und zugunsten von Kindern zu verändern, und brachte als Gesundheitsministerin innovative Neuerungen auf den Weg.
Zitat
„Zum Thema meines Lebens wurde die Frage, wie man die Rolle der Frau an neue Gesellschaftsformen so anpassen könnte, dass sie Kinder haben und doch mit gleichen Entwicklungschancen leben könnte wie der Mann.“
Von der Richterin zur Oberkirchenrätin
Elisabeth Schwarzhaupt warnte 1932 in öffentlichen Reden und in ihrer Schrift „Die Stellung der Frau im Nationalsozialismus“ vor den Nationalsozialisten und deren Frauenbild. Sie arbeitete in einer Rechtsschutzstelle für Frauen. Hier lernte sie die frauendiskriminierenden Auswirkungen des patriarchalischen Familienrechts kennen. Ihre Stelle als Vertretungsrichterin verlor sie 1933 durch die Naziregierung, die Frauen als Richterinnen ausschloss. Nach ihrer Promotion war Dr. Schwarzhaupt bis 1945 juristische Mitarbeiterin der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche (EKD), zuletzt als Oberkirchenrätin.
Mitglied des Bundestags (1953-1969), Kampf gegen den sog. Stichentscheid – „Das ist doch sehr bedenklich für eine Oberkirchenrätin!“
1953 wurde sie CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Rechtsausschuss. Hier kämpfte sie vehement für die Abschaffung des Stichentscheidsrechts des Mannes §1354(BGB), auch bekannt als „Gehorsamsparagraph“. Dieser zwang die Frauen, sich den Entscheidungen des Mannes in allen Eheangelegenheiten zu unterwerfen.
Als die Abstimmung dazu anstand, fehlte ein konservativer Abgeordneter. Schwarzhaupt sorgte dafür, dass Margot Kalinke ihn vertrat. Mit der Opposition und den Stimmen von Schwarzhaupt und Kalinke wurde die geplante neue Stichentscheidsregelung mit 8 zu 7 Stimmen abgelehnt! „Das ist doch sehr bedenklich für eine Oberkirchenrätin!“ So wetterte die katholische CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Helene Weber an diesem 15.11.1956, nachdem Schwarzhaupt den Gesetzentwurf der Adenauer Regierung im Rechtsausschuss zu Fall gebracht hatte. Auch im Parlament wurde das neue Familienrecht ohne
Stichentscheid gegen die Regierung angenommen und trat am 1.7.58 in Kraft.
Solange sie Bundestagsabgeordnete war setzte sich Schwarzhaupt für die Gleichberechtigung von Frauen ein, für ein gerechteres Scheidungsrecht (1961), für
die Verbesserung des Mutterschutzes und für die Gleichstellung nichtehelicher Kinder (1969).
Die Gesundheitsministerin: Contergan-Affäre, Polioimpfung, Krebsforschung, Umweltschutz
Kurz nach ihrem Amtsantritt als Ministerin wurden die Conterganmissbildungen bekannt. Elisabeth Schwarzhaupt verschärfte das Arzneimittelrecht, richtete besondere Krankenstationen für die betroffenen Kinder ein und förderte die Prothesenforschung.
Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit waren: Die Reform des Lebensmittelrechts mit der Pflicht zur Kennzeichnung von Fremdstoffen, die allgemeine Einführung der Polioschluckimpfung, erste Auflagen zum Umweltschutz zur Reinhaltung von Luft und Wasser.
Frau Schwarzhaupt veranlasste die Einführung von Krebsvorsorgeuntersuchungen bei Frauen, sowie 1964 die Gründung des Krebsforschungsinstituts in Heidelberg.
Erla Spatz-Zöllner Mai 2020