Besuch der Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit“ im Edwin-Scharff-Museum, Neu-Ulm

Bericht von Beate Braun

Am 17.02.2023 besuchten 19 Damen und Herren die oben genannte Ausstellung im Edwin-Scharff-Museum. Diese Ausstellung war zuvor in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu sehen. Sie wurde dort konzipiert und zeigt Werke von Malerinnen und Bildhauerinnen, die vor 1919 an die Kunstöffentlich­keit gelangten und deren Werke vor 1919 Eingang in die Sammlung der Nationalgalerie in Berlin fanden.  Daher auch der Untertitel der Ausstellung „Die Alte Nationalgalerie Berlin zu Gast in Neu-Ulm“.

Unsere Museumsführerin, die Kunsthistorikerin Frau Heil, führte uns bei dem ersten Gemälde in die Ausstellung ein.

Erst ab 1919 konnten die ersten Frauen ein reguläres Kunststudium an den Kunstakademien in Berlin und Dresden aufnehmen. Die unumkehrbaren politischen Verhältnisse nach dem Ersten Weltkrieg und der jahrelange beharrliche Protest von Künstlerinnen hatten es möglich gemacht, dass Frauen an einer akademischen Künstlerausbildung teilnehmen konnten.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelang nur wenigen Frauen eine herausragende Karriere in der vorwiegend männlich geprägten Kunstwelt. Daher erkämpften sich Frauen in Künstlervereinigungen Ausstellungsmöglichkeiten und zunehmend auch die Aufmerksamkeit wichtiger Mäzene, so dass auch sie prestigeträchtige Aufträge erhielten oder in bedeutende Sammlungen aufgenommen wurden. Dennoch sind viele Künstlerinnen in Vergessenheit geraten.

In der Ausstellung wurden 50 Werke von 32 Malerinnen und 8 Bildhauerinnen gezeigt, von denen sich Frau Heil auf einige ausgewählte konzentrierte:

Antonie Volkmar (1827 – 1903)

Antonie Volkmar ABSCHIED DER AUSWANDERER 1860 (Public Domain)
Antonie Volkmar
BILDNIS DER MARIANNE BESCHÜTZ
1868 (Public Domain)

Antonie Volkmar, Historien-, Genre- und Porträtmalerin, war die Tochter des Bankiers Moritz Daniel Volkmar und seiner Frau Luise in Berlin. Ab 1848 nahm Antonie Unterricht bei dem Berliner Maler Julius Schrader. Von 1853 bis 1857 bildete sie sich bei Léon Cogniet in Paris weiter. Danach ließ sie sich als Malerin in Berlin nieder.

Einen ersten beachtlichen Erfolg hatte sie 1860 mit ihrem großformatigen Werk „Abschied der Auswanderer“, das Wilhelm I von Preußen noch im Entstehungsjahr erwarb. Wenig später porträtierte Volkmar die spätere Schriftstellerin und Kunstsammlerin Marianne Beschütz. Diese hatte die Künstlerin in ihrem Atelier besucht, sich mit ihr angefreundet und bei ihr Unterricht genommen.

Sie entdeckte 1859 das Talent des jungen Max Liebermann, als dieser mit seiner Mutter, die sich malen ließ, ihr Atelier besuchte.

1863 – 1864 besuchte Antonie Volkmar Italien.  



Marie Ellenrieder (1791-1863)

Marie Ellenrieder wurde in Konstanz als jüngste von vier Schwestern geboren. Ihr Vater Konrad war Uhrmacher, ihre Mutter Maria Anna Ellenrieder die Tochter des Barockmalers Franz Ludwig Hermann. Ihre Schulzeit verbrachte Marie bei den Dominikanerinnen der Klosterschule Zoffingen in Konstanz.

Marie Ellenrieder
DIE TAUFE DER LYDIA 1861
(Public Domain)

Bereits 1813 konnte Ellenrieder in München studieren und wurde zum „Präzedenzfall“ einer frühen Phase des dortigen Frauenkunststudiums. Gefördert von einem klerikalen Verwaltungschef und später mit sakralen Aufträgen bedacht, konnte sich die Enkelin eines Kirchenmalers als Malerin religiöser Historien etablieren. Das Gemälde zeigt Lydia, eine griechische Purpurhändlerin und angeblich erste Christin Europas, die sich mit ihrer Familie vom Apostel Paulus taufen lässt. Die Szene besticht durch die kompositorische Sicherheit und Anmut in der Figurenbildung, für die Ellenrieder zu Lebzeiten hoch geschätzt wurde.




Caroline Bardua (1781-1864)

Caroline Bardua
BILDNIS DES KOMPONISTEN CARL MARIA VON WEBER
1821 (Public Domain)

Caroline Bardua wurde als Tochter von Johann Adam Bardua, Kammerdiener des Erbprinzen Alexius von Bernburg, und Sophie Sabine Kirchner in Ballenstedt im Harz geboren.

Der erste Lehrer der Malerin war von 1805 – 1807 Johann Heinrich Meyer in Weimar. Dort lernte sie auch Johann Wolfgang von Goethe kennen, dessen Portrait sie zeichnete. Nach Studien in Dresden bei Gerhard von Kügelgen und Anton Graff war Bardua ab 1811 als freischaffende Porträtmalerin tätig. 1819 siedelte sie nach Berlin über, wo sie schnell Kontakt zu Künstlern, Dichtern und Philosophen fand und zahlreiche Porträtaufträge erhielt. 1821 porträtierte sie den Komponisten Carl Maria von Weber während seines Aufenthaltes in Berlin anlässlich der Uraufführung seiner Oper „Der Freischütz“. Das Porträt Webers war in der Bildnis-Sammlung der Nationalgalerie ausgestellt.





Anna Dorothea Therbusch (1721 – 1782)

Anna Dorothea Therbusch war die Tochter des Polen Georg Lisiewsky, der am Hof des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. tätig war und in Berlin eine Familie gegründet hatte. Da Frauen eine künstlerische Ausbildung an den Kunstakademien verwehrt war, wurde sie von ihrem Vater in der Porträtmalerei unterrichtet.

Anna Dorothea Therbusch SELBSTBILDNIS MIT DEM EINGLAS ca 1780 (Public Domain)

Anna Dorothea Therbusch machte sich vor allem als Porträtistin einen Namen. Ihre Porträts wurden in ganz Europa geschätzt, und auch der Berliner Hof erteilte der Künstlerin mehrere Aufträge. 1742 heiratete sie den Berliner Gastwirt und Hotelier Ernst Friedrich Therbusch. Das Paar hatte 5 Kinder, von denen 4 überlebten. In den Jahren der Familienarbeit waren ihrer künstlerischen Tätigkeit enge Grenzen gesetzt.

Anna Dorothea Therbusch PORTRAIT VON ALEXANDER FRIEDRICH VON WOLDECK 1781 (Public Domain)

1761 rief Herzog Carl Eugen von Württemberg Therbusch nach Stuttgart. Dort malte sie innerhalb kürzester Zeit 18 Supraporten (Bilder über einer Tür) für die Spiegelgalerie des Neuen Schlosses und wurde 1762 Ehrenmitglied der Académie des Arts. Noch im selben Jahr fiel dieses Werk einem Schlossbrand zum Opfer. Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz ernannte Therbusch 1764 zur Hof­malerin in Mannheim. Ihre beiden Porträts des Kurfürsten befinden sich im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim und in der Alten Pinakothek München. Sie gelten kunsthistorisch als Belege für den Wandel vom offiziellen Standesportrait hin zur Betonung des Privaten und der Größe eines aufgeklärten Herrschers.

1965 ging Dorothea Therbusch nach Paris. Die Académie Royale lehnte ihre Arbeit zunächst ab, weil sie für zu gut befunden wurde, als dass sie von einer Frau stammen könnte. Erst 1967 wurde sie mit einem neuen Gemälde „Junger Mann, ein Glas in der Rechten haltend“ in die Académie aufgenommen. 1768 wurde sie mit einem Portrait des Landschaftsmaler Jakob Philipp Hackert als erste Frau in die Akademie der bildenden Künste in Wien aufgenommen.

Auch Kaiserin Katharina II von Russland beauftragte sie, die gesamte preußische Königsfamilie in lebensgroßen Ganzkörperportraits zu malen. Diese Porträts hängen heute in der Eremitage in St. Petersburg.

Im Alter von 61 Jahren starb Dorothea Therbusch.


Marie Wiegmann (1820 – 1893)

Marie Elisabeth Wiegmann, geborene Hancke, wurde in Silberberg, Regierungsbezirk Breslau in Schlesien geboren, sie starb 1893 in Düsseldorf. Sie war eine deutsche romantische Malerin von Kinderbildern, mythologischen Szenen, Genreszenen und Porträts.  Sie heiratete 1841 den Düsseldorfer Maler, Architekten und Professor Rudolf Wiegmann, hatte drei Kinder und ein Pflegekind.

Marie Wiegmann BILDNIS DES KUNSTHISTORIKERS CARL SCHNAASE 1861 (Staatliche Museen Berlin / Lizenz CC BY-NC-SA 3.0)

Sie kam 1841 zur künstlerischen Ausbildung nach Düsseldorf, wo sie bis etwa 1843 unter dem Historienmaler Hermann Stilke arbeitete. Danach widmete sie sich der Porträtmalerei. Sie studierte bei Karl Ferdinand Sohn und arbeitete in seinem Atelier für Privatschüler. Sie ließ sich von seiner Malweise inspirieren.  Nach ihrer Heirat erhielt sie Zugang zur Akademie, jedoch nicht zu den akademischen Klassen. Künstlerinnen waren damals in Düsseldorf generell benachteiligt. Die Mitgliedschaft im Düsseldorfer Kunstverein Malkasten war Frauen bis 1977 verwehrt.

Marie verlor ihren Mann an seinem 61. Geburtstag, ihr jüngster Sohn starb einen Monat später im Alter von vier Jahren. Ihr Sohn Arnold fiel im August 1870 in der Schlacht bei Spichern.

Zwischen 1843 und 1845 besuchte Marie Rom und Venedig, 1853 unternahm sie eine Studienreise nach England. Sie vertiefte ihre Kenntnisse durch ausgedehnte Museums- und Galeriebesuche in Deutschland (Dresden, Berlin), Holland, Belgien, England und Italien (Venedig).




Elisabeth Jerichau-Baumann (1819-1881)

Elisabeth Jerichau-Baumann DOPPELPORTRAIT DER BRÜDER JACOB UND WILHELM GRIMM 1855 (Public Domain)

Dieses Bild diente als Vorlage für den 1.000-Mark-Schein der vierten und letzten Serie der Deutschen Mark.

Elisabeth Jerichau-Baumann war eine deutsch-dänische Malerin der Düsseldorfer Malerschule. Sie wurde als Tochter deutscher Eltern in dem kleinen Ort Jolibord bei Warschau geboren. Dort und in Danzig wuchs sie auf.

Im Alter von 19 Jahren (1838) kam Elisabeth Baumann nach Düsseldorf, nachdem sie von Julius Hübner d.Ä. in Berlin wegen mangelnden Talents als Schülerin abgelehnt worden war. Bis 1845 wurde sie als erste Privatschülerin bei Karl Ferdinand Sohn und Hermann Stilke in Düsseldorf zur Porträt- und Historienmalerin ausgebildet.

1845 ging sie nach Rom, wo sie ihren Mann, den dänischen Bildhauer Jens Adolf Jerichau kennenlernte und 1848 dort heiratete. 1849 folgte sie ihrem Mann nach Dänemark, der dort eine Professur an der Königlichen Kunstakademie erhalten hatte.

1855 malte sie das Porträt der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Dafür saßen die beiden sechs Tage lang Modell, eine ungewöhnlich lange Zeit angesichts des Arbeitspensums der beiden Wissen­schaftler. Doch die selbstbewusste und etablierte Malerin war in den wichtigen gesellschaftlichen und künstlerischen Kreisen Berlins bestens vernetzt.  Ihre Kritiker waren begeistert von der beispiellosen männlichen Entschlossenheit.  Sie war der „einzig wahre Mann“ der Düsseldorfer Schule.

Elisabeth Jerichau-Baumann hatte neun Kinder.  Auf ihren Reisen wurde sie stets von einem ihrer Kinder begleitet.


Paula Monjé (1849 – 1919)

Paula Monje
DEUTSCHES VOLKSFEST
IM 16. JAHRHUNDERT
1883 (Public Domain, Ausschnitt)

Dieses großformatige Gemälde zeigt eine vielfigurige Szene in historisierenden Kostümen. Das in Ausführung und Format deutlich an die akademische Historienmalerei angelehnte „historische Genre“ erfreute sich vor allem bei der Ausstattung gründerzeitlicher Salons großer Beliebtheit. Das „Deutsche Volksfest“ wurde mehrfach in Ausstellungen gezeigt und kann zu den frühen Haupt­werken der Künstlerin gezählt werden.

Paula Monjé war die Tochter des evangelischen Divisionspredigers an der Düsseldorfer Garnisonkirche, Hermann Monjé, und seiner Frau Maria. Paula Monjé erhielt ihre Ausbildung privat bei Eduard Gebhardt und Wilhelm Sohn. In Paris studierte sie bei Jean-Baptiste Courtois. Studienreisen führten sie in die Niederlande und nach Italien sowie von 1885 bis 1889 nach Russland.

Das Bild „Männer am Kamin“ zeigt die veränderte malerische Haltung der Künstlerin gegenüber ihrem Frühwerk „Deutsches Volksfest im 16. Jahrhundert“. Die Wiedergabe des einfallenden Sonnenlichtes auf den spiegelnden Kacheln und der Schein des Feuers auf den Gesichtern der Männer scheinen nunmehr das Hauptanliegen der Malerin zu sein.

Die Alte Nationalgalerie Berlin hat das Bild im Jahr 2020 im Rahmen einer Schenkung erhalten. Hier ein Bericht auf der Seite der Staatlichen Museen Berlin, auf dem auch das Bild zu sehen ist .

Paula Monjé war u.a. Mitglied der „Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft“ und nahm an zahlreichen Ausstellungen u.a. in Düsseldorf, Berlin und München teil.


Julie Genthe (1869 – 1938)

Julie Genthe
BÜSTE MEINES VATERS 1900 (Staatliche Museen Berlin)
Foto Andres Kilger
(Lizenz CC BY-NC-SA)

Diese Büste, eines der bekanntesten Werke Genthes, wurde 1900 in Gips modelliert und 1903 von der Dresdner Skulpturensammlung erworben. Sie befindet sich noch heute im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. 1914 schuf sie das Werk aus Marmor, das vermutlich über Genthes Kontakt zu Wilhelm Bode in den Besitz der Berliner Skulpturensammlung gelangte, die es ihrerseits 1984 der Nationalgalerie übergab.

Julie Genthe war die Tochter von Oberst Friedrich Karl Nidda Genthe und Ida Juliane Therese Henriette Genthe, geborene Gräfin von Brockdorff. Sie hatte 3 Geschwister, mit denen sie kurz in Grimma und dann in Dresden aufwuchs. Sie war Schülerin des Dresdner Malers Carl Bantzer, bevor sie sich der Bildhauerei zuwandte. Hier gilt sie als Schülerin des Bildhauers Robert Diez. Dann ging sie nach Paris und studierte bei Jules Clément Chaplain, Alexandre Charpentier und Albert Bartholomé. Anschließend setzte sie ihre Ausbildung an der Académie royale des Beaux-Arts de Bruxelles fort. Während ihres Studiums in Brüssel nahm sie an einem Bildhauerwettbewerb teil, den sie gewann, der Preis wurde ihr jedoch nicht verliehen, da „die Teilnahme von Damen an diesem Wettbewerb nicht vorgesehen war“.

Ab 1899 war Genthe als freischaffende Künstlerin zunächst in Dresden, dann in Leipzig tätig. 1913 war sie in Berlin gemeldet und lebte und arbeitete im Künstlerhaus Siegmunds Hof 11 zusammen mit Käthe Kollwitz und Tina Haim-Wentscher. Julie blieb unverheiratet, hielt sich aber regelmäßig in Rethem bei ihrer Schwester Charlotte von Möller auf.

Alma Erdmann (1872 – nach 1930)

Alma Erdmann
SCHWARZWÄLDERIN 1899
Public Domain

Alma Erdmann wurde 1872 in Herzberg am Harz geboren; sie starb um 1930 in Hannover.

Alma Erdmann studierte als eine der wenigen Studentinnen an der Kunstakademie Karlsruhe bei Caspar Ritter und Karl Caspar, später an der Kunstakademie Düsseldorf bei Hugo Croja und Claus Meyer.

Die Malerin spezialisierte sich auf Figurenbilder mit volkstümlichen Interieurs und Trachten. Das Gemälde „Schwarzwälderin“ weist auf Erdmanns Verbindung zu dem Karlsruher Akademieabsolventen Wilhelm Hasemann hin, der in Gutach im Schwarzwald eine Malerkolonie gegründet hatte, die sich auf die dortige Folklore konzentrierte. Das Gemälde wurde von der Nationalgalerie gleich nach seiner ersten Teilnahme an einer Berliner Akademieausstellung 1901 angekauft.



Marie von Parmentier (1846 – 1879)

Maria von Parmentier wuchs in Wien auf und war Schülerin des österreichischen Landschaftsmalers Emil Jakob Schindler. Später unternahm sie Reisen nach Italien und Frankreich. Ein Jahr hielt sie sich in Paris auf. Dort wurde sie von Charles-François Daubigny künstlerisch gefördert, der ihre Werke im Pariser Salon ausstellte. In den 1870er Jahren nahm sie an Ausstellungen in Berlin teil.

Marie von Parmentier DER HAFEN VON DIEPPE vor 1879 (Staatliche Museen Berlin / Barnos, Lizenz CC BY-SA 4.0)

Maria von Parmentier widmete sich der Landschafts- und Marinemalerei. Sie wählte vor allem Motive aus Italien, Frankreich und Österreich. Neben der Ölmalerei schuf sie auch Radierungen. „Der Hafen von Dieppe“ ist eines ihrer bekanntesten Gemälde.

Während einer Studienreise 1879 nach Italien starb sie an Typhus. 1881 wurde in Berlin eine Gedächtnisausstellung für sie veranstaltet. Über 100 Werke, darunter zahlreiche Studien, wurden zum Verkauf angeboten und zeugten von ihrem malerischen Talent. 8 Studien wurden von der Nationalgalerie erworben und befinden sich heute im Kupferstichkabinett.


Gertrud Zuelzer (1873 – 1968)

Gertrud Zuelzer war die Tochter des jüdischen Tuchfabrikanten Julius und Henriette Zuezler und wurde in Haynau/Schlesien geboren.

Dank der Unterstützung ihres wohlhabenden Onkels erhielt Gertrud Zuelzer eine umfassende Ausbildung. Zunächst studierte sie in Berlin bei den Sezessions-Mitbegründern Walter Leistikow und Franz Lippisch. Weitere drei Jahre verbrachte sie in Paris, wo sie sich von Paul Cézanne inspirieren ließ. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin erhielt sie vier Jahre Unterricht bei Arthur Kampf und machte sich als Porträt- und Landschaftsmalerin selbständig.

Zuelzers Darstellung eines Missionsfestes – ein oft unter freiem Himmel gefeierter Gottesdienst mit Berichten und Kollekte für die Mission – steht in engem Zusammenhang mit der Konversion der Künstlerin zum evangelischen Glauben im Jahr 1916. Obwohl konvertiert, wurde die aus einer jüdischen Familie stammende Zuelzer von den Nationalsozialisten verfemt und nach Theresienstadt deportiert.

Das Bild MISSIONSFEST ist nicht gemeinfrei und kann hier deswegen nicht direkt veröffentlicht werden. Eine nicht sehr detailreiche Abbildung gibt es auf KUNSTBEZIEHUNG , einer Webseite über Museen und bildende Künstler.


Sophie Wolff (1871 – 1944)

Der biographische Werdegang von Sabine Wolff lässt sich nur vage rekonstruieren. Spätestens ab 1904 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist die Künstlerin in Paris nachweisbar. Dort stellte sie im Salon d‘ Automne expressive Skulpturen von “Afrikanern’ aus. Leider kann aus lizenzrechtlichen Gründen an dieser Stelle keine dieser Skulpturen gezeigt werden. Hier eine Webseite mit dem KOPF EINES DAHOMEY . Dahomey ist ein früheres afrikanisches Königreich, heute ein Teil von Benin.

Nach Berlin zurückgekehrt, beteiligte sie sich an zahlreichen Ausstellungen der Sezession. 1912 nahm sie an der Kölner Sonderbundausstellung teil, 1929 wurde sie Mitglied des Vereins Berliner Künstlerinnen und des Deutschen Lyceum-Clubs. Sie gehörte auch dem von Käthe Kollwitz gegründeten Frauenkunstverein an.


Ernestina Schulze-Naumburg (1867 – 1958)

Das in der Ausstellung gezeigte Gemälde BILDNIS EINER DAME IM WEISSEN KLEID von 1898 ist leider noch urheberrechtlich geschützt. Im Internet steht es aktuell unter dem Angebot eines Aktionshauses zum Verkauf .

Das Gemälde ist ganz auf den Gesichtsausdruck der jungen Frau fokussiert. Ihr Blick ist ruhig, fast melancholisch und rätselhaft. Unbestimmt bleibt auch das Interieur, in dem sie sitzt und das die Malerin in einem locken Pinselduktus anlegte. Das Gemälde ist auf das Jahr 1898 datiert. Zu dieser Zeit war Ernestina noch mit dem Architekten, Publizisten und Maler Paul Schulze-Naumburg verheiratet. Mit ihm gemeinsam führte sie in den 1890er Jahren eine private Malschule zunächst in München, dann in Berlin. Als Mitglied der Berliner Secession arbeitete sie am Puls der Zeit. Erst im November 2022 gelang der Nationalgalerie mit dem Ankauf dieses Gemäldes, eine weitere Künstlerin in die Sammlung einzugliedern.


Sabine Lepsius (1864 – 1942)

Sabine Lepsius
MONICA, DIE TOCHTER DER KÜNSTLERIN 1900
(Staatliche Museen Berlin / Foto Andres Kilger / Lizenz CC BY-NC-SA 4.0)

Sabine Lepsius, Tochter des Porträt- und Historienmalers Gustav Graef, wurde 1864 in Berlin geboren. Sie erlernte ab 1894 die Malerei im Schüleratelier von Karl Gussow in Berlin sowie bei Auslandsaufenthalten in Rom und Paris. 1898 gehörte die Künstlerin mit ihrem Mann zu den Gründungsmitgliedern der Berliner Secession. Das in der Secessionsausstellung 1900 gezeigte Bild der Tochter Monica war ein unerwarteter Erfolg und führte zu zahlreichen Folgeaufträgen. Die ungezwungene Pose der Dargestellten vermittelt die damals neu erwachte Wertschätzung des Kindlichen.

Mit ähnlichen Kinderbildnissen aus der bürgerlichen Gesellschaft machte sich Sabine Lepsius einen Namen. Die Künstlerin hatte sich gegen viele Widerstände durchgesetzt und war selbstbewusst ihren beruflichen Weg gegangen. Sie war verheiratet, hatte Kinder und war aufgrund eines Eheversprechens für den finanziellen Unterhalt der Familie verantwortlich.





Paula Modersohn-Becker (1876 – 1907)

Paula Modersohn-Becker, geborene Minna Hermine Paula Becker, wurde in Berlin-Friedrichsstadt geboren. Auf Wunsch ihrer Eltern ging Paula 1892 nach London zu ihrem Onkel, um die englische Sprache zu erlernen. Dank der Unterstützung ihres Onkels erhielt sie hier auch Kunstunterricht.

Paula Modersohn-Becker
MÄDCHEN ZWISCHEN BIRKEN um 1904 (Staatliche Museen Berlin / Foto:Jörg P. Anders / Lizenz CC BY-NC-SA 4.0)

Zurückgekehrt nach Deutschland besuchte sie auf Wunsch ihres Vaters ein Lehrerinnen-Seminar, ihren Abschluss bestand sie 1895. Während dieser Zeit erhielt Paula Becker privaten Malunterricht von dem Maler Bernhard Wiegandt, denn Paula Becker hatte die Ausbildung zur Lehrerin nur ungern begonnen.

Der Familie ihrer Mutter verdankte Paula Becker einen sechswöchigen Kurs an der Zeichen- und Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen im Frühjahr 1896. Ihre Lehrer hier waren Jacob Albers und Curt Stoeving. Im Anschluss daran begann sie eine eineinhalbjährige Ausbildung in der Porträtmalerei bei Jakob Albers und Martin Körte, in der Aktmalerei bei Ernst Friedrich Hausmann und in der Landschaftsmalerei bei Ludwig Dettmann.

Insgesamt 4 Mal war Paula Modersohn-Becker in Paris, einige Male in der Worpsweder Künstlerkolonie, wo sie Ihren Mann, den Maler Otto Modersohn kennenlernte, den sie später heiratete.

In ihrem kurzen Leben von nur 31 Jahren schuf Paula Modersohn-Becker nicht nur ein überaus umfangreiches Oeuvre von mehr als 750 Gemälden und 1000 Zeichnungen, sondern fand auch zu einer künstlerischen Ausdrucksweise, die sie zu einer Wegbereiterin der Moderne machte. Das Nebeneinander von Kind und Natur war ein Lieblingsmotiv der Künstlerin. Hier sind Mensch und Baum besonders innig miteinander verbunden. Ihre Auseinandersetzung mit der Kunst der Antike und Moderne im Kunstzentrum Paris und dann wieder die Konzentration auf das Wesentliche im Kreis der Vertrauten in der Künstlerkolonie Worpswede führten zu Modernsohn-Beckers einfachen Bildformen.


Käthe Kollwitz (1867 – 1945)

Käthe Kollwitz
LIEBESPAAR II 1913 (Staatliche Museen Berlin / Barnos / Lizenz CC BY-SA)

Käthe Kollwitz wurde in Königsberg/Preußen geboren, wo sie ihre Kindheit bis 1885 verbrachte. Durch ihren Vater gefördert, nahm sie ab 1881 Unterricht bei dem Künstler Maurer. 1885/85 besuchte sie die sogenannte Damenakademie des Vereins der Berliner Künstlerinnen und erhielt Unterricht von Karl-Stauffer-Bern. Nach ihrem Studium lebe sie ein Jahr als Künstlerin in Königsberg, ehe sie im Juni 1891 ihren langjährigen Verlobten, den Arzt Karl Kollwitz heiratete. Gemeinsam zogen sie in den Berliner Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg.  

Käthe Kollwitz gehörte nicht nur zu den bekanntesten deutschen Künstlerinnen der Moderne, sondern auch zu den berühmtesten Vorkämpferinnen ihres Berufsstandes. 1919 wurde sie als erste Frau Mitglied der Berliner Akademie der Künste und erhielt dort auch als erste Frau den Professorentitel. Den Durchbruch erzielte sie mit dem druckgrafischen Zyklus „Ein Weberaufstand“, den sie 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung zeigte. Eine Auszeichnung lehnte der Kaiser damals mit der Begründung ab: „eine Medaille für eine Frau, das ginge denn doch zu weit.“ Nach Studien in der Bildhauerklasse der Académie Julian und Besuchen bei August Rodin widmete sie sich verstärkt der Bildhauerei.


Renée Sintenis (1888 – 1965)

Renée Sintenis wurde als Renate Alice Sintenis in Glatz (Schlesien) geboren. Sie war das erste von drei Kindern der Eheleute Margarete Elsbeth Sintenis und des Juristen Franz Bernhard Sintenis. Renate verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Neuruppin, wohin die Familie im Jahre 1888 umzog.  1905 zog die Familie nach Berlin, wo der Vater am Kammergericht angestellt war.

Bereits während ihrer Schulzeit erhielt Renate Sintenis Zeichenunterricht. Von 1908 bis 1912 studierte sie dekorative Plastik an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin bei Wilhelm Haverkamp und Leo König. Im 5. Semester musste sie das Studium abbrechen, da ihr Vater das Schulgeld nicht mehr aufbringen wollte. Sie arbeitete als seine Sekretärin und lernte Stenografie und Maschinenschreiben. Dieser unfreiwilligen Tätigkeit entzog sie sich schließlich durch den Bruch mit der Familie.

Sie nannte sich fortan Renée Sintenis. 1910 lernte sie den Bildhauer Georg Kolbe kennen und wurde sein Modell. Mit ihm verband sie eine langjährige Freundschaft, die sie künstlerisch begleitete. Sie begann, weibliche Akte und ausdrucksstarke Köpfe zu schaffen. 1913 stellte sie erstmals drei Statuetten auf der Berliner Herbstausstellung aus, 1915 Tierfiguren und Selbstporträts in der Berliner Secession.

Im Alter von 19 Jahren begann Renée Sintenis ein Studium an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin, wo sie die Klasse für „Dekorative Plastik“ besuchte. Unter dem Einfluss des Bildhauers Georg Kolbe, dem sie 1910 Modell stand, schuf sie zunächst weibliche Aktfiguren. Einige dieser frühen Aktfiguren, aber auch Tierplastiken erwarb die Nationalgalerie 1920/21.

Ab 1915 arbeitete Renée Sintenis an prägnanten Tierfiguren, die zu ihrem künstlerischen Lebensthema wurden; sie schuf vor allem kleinformatige Skulpturen, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Zu ihrem Freundeskreis zählten die Schriftsteller Rainer Maria Rilke und Joachim Ringelnatz. 1917 heiratete sie den Schriftkünstler, Buchgestalter, Maler und Illustrator Emil Rudolf Weiß, den sie Jahre zuvor als Lehrer und später als väterlichen Freund kennengelernt hatte; Emil Rudolf Weiß starb 1942, was Renée in eine tiefe Krise stürzte.

1948 erhielt Renée Sintenis einen Lehrauftrag für eine Meisterklasse für Tierplastik an der Hochschule für bildende Künste sowie den Kunstpreis der Stadt Berlin. Es folgten 1952 der Orden Pour le Mérite und 1953 der Große Bundesverdienstorden. 1955 wurde sie auf Vermittlung von Karl Hofer an die Hochschule für Bildende Künste Berlin berufen und zur ordentlichen Professorin ernannt. Im selben Jahr gab sie ihre Lehrtätigkeit auf. Ebenfalls 1955 wurde sie in die neu gegründete Akademie der Künste Berlin (West) berufen.

Sintenis‘ bekannteste Plastik ist der Berliner Bär. Als verkleinerte Nachbildung einer 1932 geschaffenen Bronzeskulptur wurde der Bär ab 1951 in Silber und Gold als begehrte Trophäe der jährlich stattfindenden Filmfestspiele „Berlinale“ verliehen. 1957 wurde Sintenis‘ „Berliner Bär“ als lebensgroße Bronzeplastik auf dem Mittelstreifen der heutigen Bundesautobahn 115 zwischen Dreilinden und dem Autobahndreieck Zehlendorf aufgestellt. Ein weiteres Exemplar weihte der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, am 23.09.1960 auf der Berliner Allee in Düsseldorf ein. Am 06.06.1962 wurde auf dem Mittelstreifen der Bundesautobahn 9 in Höhe der heutigen Anschlussstelle München-Fröttmaning-Süd ein Bronzedenkmal des Berliner Bären enthüllt.

Aus urheberrechtlichen Gründen können wir hier leider keine Fotos der in der Ausstellung gezeigten Werke von Renée Sintenis veröffentlichen. Ein Bericht über die Künstlerin mit Bildern ihrer Tierplastiken findet sich auf der Internetseite des Magazin KUNSTDUNST: https://www.kunstdunst.com/renee-sintenis-goettin-und-garconne/

Quellen zum Bericht:
Der Internetblog SUPERNAUT enthält auf englisch einen Bericht über die Ausstellung mit vielen weiteren Bildern:
https://supernaut.info/2019/10/alte-nationalgalerie-fighting-for-visibility-women-artists-in-the-nationalgalerie-before-1919
Webpräsenz der Staatlichen Museen Berlin: https://www.museumsportal-berlin.de/de/
Webpräsenz Alte Nationalgalerie: https://www.museumsportal-berlin.de/de/museen/alte-nationalgalerie
Webpräsenz Alte Nationalgalerie auf google:
https://artsandculture.google.com/partner/alte-nationalgalerie-staatliche-museen-zu-berlin
KUNSTBEZIEHUNG, eine Webseite mit vielen Museen und Künstlern: https://www.kunstbeziehung.de/

Die Ausstellung im Edwin-Scharff-Museum Neu-Ulm endete am 7. Mai. Hier die Ausstellungsseite des Museums: https://edwinscharffmuseum.de/exhibition/kampf-um-sichtbarkeit/