von Beate Braun
Am 11.03.2023 besuchten 15 Teilnehmende von ViLE Süd und deren Gäste die vorgenannte Ausstellung in München.
Nach einer mehr als einer 2 ½-stündigen Zugfahrt ab Ulm mit dem Bayern-Ticket erreichten wir München, wo wir uns erst in einem Bayerischen Brauerei-Gasthaus stärkten, bevor wir mit der Tram die Pinakothek der Moderne erreichten. Dort empfing uns die Kunsthistorikerin, Frau Dr. Angelika Grepmair-Müller.
Sie übersetzte „Max Beckmann – Departure“ mit „Max Beckmann – unterwegs“.
Max Carl Friedrich Beckmann wurde am 12.02.1884 in Leipzig geboren. Er starb am 27.12.1950 in New York City, seiner Wahlheimat. Max Beckmann war ein deutscher Maler, Grafiker, Bildhauer, Autor und Hochschullehrer. Er griff die Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts ebenso auf wie die kunsthistorische Tradition und formte einen figurenstarken Stil, den er der ab 1911 aufkommenden Gegenstandlosigkeit entgegensetzte.
Beckmann war in seiner frühen Zeit Mitglied der Berliner Secession, stilisierte sich dann aber als Einzelgänger. Insbesondere Pablo Picasso und dem Kubismus setzte er eine eigenwillige Räumlichkeit entgegen. Zudem entwickelte er eine erzählende und mythenschaffende Malerei, insbesondere in zehn Triptychen (eines davon unvollendet), die er zwischen 1932 und 1950 schuf. Besondere Bedeutung kommt Beckmann als prägnantem Zeichner, Porträtisten (auch zahlreiche Selbstporträts) und als subtilem Illustrator zu. Er gehört zu den bedeutendsten bildenden Künstlern der Klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts.
Frau Dr. Grepmair-Müller begann den Rundgang mit dem Triptychon „Departure“, das dieser Ausstellung auch seinen Namen verlieh. Max Beckmann war für die Nazis einer der meistgehassten Künstler. Er war in den Ausstellungen zur „Entarteten Kunst“, die durch ganz Deutschland tourten, prominent vertreten.
Das riesige aus 3 Leinwänden bestehende Gemälde hat eine Höhe von 215,5 m. Das Mittelbild mit 115 cm ist nur wenig breiter als die Seitenbilder, die jeweils 99,5 cm messen. So kommt den Seitenbildern von vornherein erhebliche Bedeutung zu. Sie zeigen Schrecken, Folter und Gewalt, während auf dem Mittelbild die Offenheit und Weite von Meer und Himmel sowie eine Königsfamilie mit ihren Helfern an einem hellen sonnigen Tag zu sehen sind; in den Händen der Königin ein blondes Kind. Max Beckmann soll das letztere als direkte Verkörperung der Freiheit verstanden haben.
Während seines gesamten künstlerischen Lebens, von der Jugend bis zum Tod, hat Max Beckmann immer wieder die eigene Person ins Bild gesetzt, mittels Zeichnung, Graphik, Malerei und Plastik. Wie die Selbstbildnisse anderer großer Künstler zeugen sie beispielhaft von der physischen Erscheinung und geistigen Verfassung eines schöpferischen Menschen unter den Bedingungen wechselnder Lebensumstände. Gemäß diesen Umständen, geprägt vom künstlerischen Erfolg sowie gesellschaftlicher Anerkennung, weit mehr noch aber von zwei Weltkriegen, Berufsverbot, Exil und Auswanderung, präsentiert sich Beckmann in höchst unterschiedlichen Haltungen: selbstbewusst und verletzlich, erhaben oder verstört, streitbar oder melancholisch, hellsichtig oder düster.
1936, als sein Selbstbildnis mit Glaskugel entstand, erwog Beckmann, wohnhaft in Berlin, die Emigration in die USA. Drei Jahre zuvor, kurz nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland, wurde er aus dem Lehramt an der Kunstschule des Frankfurter Städel-Museums entlassen. Die Presse hetzte gegen ihn und sein „entartetes“ Werk. Im Berliner Kronprinzenpalais, einer Abteilung der Nationalgalerie für moderne und zeitgenössische Kunst, wurden seine Gemälde von den Wänden genommen. Die Ausreise in die USA kam nicht zustande, 1937 aber, direkt nach Hitlers Münchner Rundfunkrede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung, floh Beckmann mit seiner Frau aus Berlin und ließ sich in Amsterdam nieder, das 1940 von deutschen Truppen besetzt wurde. Nach zehn Jahren bedrückendem Exil, am 19. August 1947, emigrierte er schließlich nach Amerika.
Diese kurzen biographischen Angaben lassen erahnen, vor welchem Lebenshintergrund Max Beckmann sein Selbstbildnis mit Glaskugel gemalt hat. Welche Zukunft drohte einer mehr als trostlosen Gegenwart? Zu ihrer Ergründung benutzt der Künstler im Bild eine Glaskugel, ein Instrument der Mantik, das ihn zum Seher und Wahrsager macht. Früh schon hatte sich Beckmann für alles aufgeschlossen gezeigt, was der geistigen Erkenntnis und dem Blick hinter die Erscheinungen der Wirklichkeit diente. Er las religiöse, philosophische, mythologische und belletristische Literatur. Auch Esoterik und Okkultismus fesselten ihn. Alles Bedeutungsvolle konnte ihm zum Gegenstand der Kunst werden. Ruhig liegt die Glaskugel in seiner Hand, behutsam gegen die Brust gedrückt. Helles Licht erfasst Gesicht und hohe Stirn. Tief verschattet sind indes die Augen. Sinnend geht sein ernster Blick zugleich nach innen sowie hinaus in den dunklen Raum, der sich jenseits des mächtigen Körpers und einer offenen Tür, die seinen Kopf wie ein Nimbus hinterfängt, ins Unendliche und Ungewisse verliert. Durch den Verzicht auf jedes erzählerische Detail erscheint Beckmann, der nur mit dem Attribut des Wahr-Sehens und -Sagens ausgestattet ist, den realen Zeitumständen enthoben. So ist hier der mit leiblichen und geistigen Augen der Wahrheit zugewandte Mensch das alleinige und überzeitliche Bildthema. Es tritt mit hohem Anspruch auf und verleiht dem Künstler eine geradezu prophetische Aura.
Links sieht man einen Artisten auf einer Leiter, rechts vor dem Käfig einen Artisten mit einer Peitsche, in dem Käfig mit grünen Gittern ein wildes Tier, in der Mitte des Bildes eine Künstlerin, die sich ausruht, vor ihr ein kleinwüchsiger Mensch mit einer Laterne, vor ihr auf dem Boden ein Blumenstrauß. Im Hintergrund – aber trotzdem in der Bildmitte – der Maler selbst, Zeitung lesend und halb verdeckt.
Kurz vor seinem Tod malte er ein weiteres Triptychon mit dem Namen „Die Argonauten“.
Der Titel des letzten der neun Triptychen ist ebenfalls einer ‚Reise‘ gewidmet: der abenteuerlichen Fahrt der griechischen Heroen mit dem Schiff Argo. Beckmann hat dieses Bild Ende des Jahres 1950 vollendet. Begonnen wurde es am 19. April 1950, und von da an hat sich die beschwerliche Arbeit bis kurz vor dem Tod hingezogen. Am 27. Dezember ist Beckmann an der Ecke 69. Straße und Central Park West in New York zusammengebrochen.
Hat sich das Leben des Künstlers so vollendet? Es würde dann naheliegen, in dem Triptychon auch eine Art Vermächtnis zu sehen, das am Ende der Lebenszeit von 66 Jahren steht, davon 13 Jahre im Exil. Nachdem Beckmann 1937 emigriert war, hat er Deutschland nicht wiedergesehen. Das rechte Bild zeigt eine selbstgenügsame Gesellschaft von Frauen. Nach Mitteilung von Quappi (Mathilde Kaulbach, Beckmanns 2. Frau) ist es der ‚Chor’, also die Gruppe des antiken Theaters, die das Geschehen begleitet`. Das linke Bild hat Beckmann selbst bei der Entstehung Maler und Modell genannt, das Mittelbild zuerst Die Künstler.
Der Maler ist links konzentriert bei der Arbeit, wobei er nicht einfach ein Modell darzustellen hat, sondern dieses – nackt und mit dem Schwert – ihm auch gefährlich ist, zudem die Kultur (= die Maske, auf der es sitzt) nicht achtend. Gegenüber dieser spannungsvollen Problematik zeigt das Mittelbild als das Wesentliche für das Triptychon insgesamt die Begegnung zwischen zwei antikischen Jünglingen, wie auch immer sie zu benennen wären, und einem aus dem Meer hoch gestiegenem Greis. Hier sind wir also in der Sphäre des Mythos. Der Greis zeigt den Jünglingen den Weg ihres Lebens, der mit der Argonauten-Sage verbunden werden kann und sich doch nicht einfach in ihr erfüllt. Die Lyra zu Füßen des Bekränzten, der zaubermächtige Vogel auf dem Arm des Anderen erklären sich ebenso wenig aus der Sage wie die Beschränkung auf nur zwei Figuren. Das Abendteuer, dessen kosmische Bedeutung in der ungewöhnlichen Konstellation der Gestirne angedeutet ist, bedeutet das große Vorhaben auserwählter junger Menschen, bei dem ihnen ein weiser Alter helfen wird, der zum mythischen Bereich gehört.
Auch wenn das Leben Beckmanns unversehens beendet worden ist, so kann das Triptychon Argonauten durchaus als sein Vermächtnis verstanden werden. Damit hätte sich das Leben des Künstlers, das zu einem erheblichen Teil ein Leben im Exil gewesen ist, sinnvoll vollendet, indem es zugleich die Problematik des Exils weit hinter sich gelassen hätte.
Nach fast 2stündiger Führung versuchten wir vergeblich, in der Nähe ein schönes Café zu finden, denn das Café in der Pinakothek der Moderne war belegt. Also fuhren wir mit der Tram zurück zum Stachus und nachdem wir auch hier kein Café fanden, besuchten wir noch einmal kurz das Bräuhaus zu einer Erfrischung, bevor wir uns zu Fuß aufmachten zum Bahnhof und unsere Rückfahrt antraten.
Kurz vor 20 Uhr erreichten wir nach einem informativen, interessanten und erlebnisreichen Tag Ulm; rechtzeitig für weitere Anschlusszüge und Straßenbahnen.
Quellen und weiterführende Links:
MAX BECKMANN – DEPARTURE – Pinakothek der Moderne (pinakothek-der-moderne.de)