Hildegard Neufeld verstarb am 16.September 2023 im Alter von fast 100 Jahren
Als Gründungsmitglied war Hildegard Neufeld eine Frau der ersten Stunde bei ViLE, über viele Jahre hat sie den Aufbau und die Weiterentwicklung des Vereins als engagierte Mitstreiterin entscheidend mitgeprägt.
In ihrem Berufsleben war sie über viele Jahre als Fachzeitschriften-Redakteurin tätig. Sie ging in Vorruhestand, weil sie eigentlich mit technischen Neuerungen wie Internet und den neuen Medien nichts zu tun haben wollte, aber sie merkte bald, dass „wer rastet, der rostet“. Zusammen mit Dr. Erna Subklew kontaktierte sie uns vom ZAWiW Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, um zu erfahren, „was das für eine Sache ist mit dem Internet“. Sobald sie erfasst hatte, welche Chancen dieses neue technische Medium ihr und anderen Älteren bietet, stieg sie konsequent in die Materie ein und schlug immer Brücken zwischen relevanten Themen, Texten und Technik.
Hildegard machte bei verschiedenen Aktivitäten im Rahmen der Projekte des ZAWiW „Gemeinsamlernen übers Netz“ und „LernCafe“ mit, seit der Gründung der Senior-Online-Redaktion 2004 galt ihre ganze Aufmerksamkeit dem Online-Journal „LernCafe“. Damit knüpfte Hildegard an ihre frühere berufliche Tätigkeit an. Diese Tätigkeit wollte als Senior-Online-Redakteurin fortsetzen, wenn auch, bedingt durch die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, unter anderen Voraussetzungen und neuen Aspekten. In der Zeit von 2005, Ausgabe LC 30 „Lebenslanges Lernen“ bis Ausgabe 75,“Lesen und Schreiben“ 2017 veröffentlichte sie fast 60 Artikel, die Themenschwerpunkte dieser beiden Ausgaben umreißen das, was sie am meisten im fortgeschrittenen Alter beschäftigte, lernen, lesen und schreiben. In der 75. Ausgabe des LernCafes resümiert sie: „Als Senior-Online-Redakteurin kann ich Wissen und Erfahrung weitergeben. Vor allem aber kann ich informieren, anregen und, wenn möglich, auch motivieren. Hängt doch die Position der älteren und alten Menschen in der Gesellschaft auch von ihrer Informations-, Weiterbildungs- und Mitwirkungsbereitschaft ab. Wer gesellschaftlich integriert und handlungsfähig bleiben will, muss „am Ball bleiben“, muss informiert sein. Als Senior-Online-Redakteurin kann ich daran mitwirken, dass auch die nachfolgenden Generationen erkennen und wissen, dass das Alter aktiv erlebt und auch kreativ gestaltet“.
Anliegen und Ziel von ViLE ist es, älteren Menschen eine Plattform zu bieten, um das Internet zur Weiterbildung und zum Erfahrungsaustausch im Rahmen der virtuellen und persönlichen Begegnung zu nutzen. Hildegard Neufeld hat frühzeitig dieses Potential erkannt und genutzt. Legendär ist die von ihr herausgegebene Ausgabe des LernCafe zum Themenschwerpunkt „Ältere Menschen als wirtschaftlicher und politischer Machtfaktor“, das Thema Lebenssituation und die Rolle und Verantwortung der Älteren in unserer und für unsere Gesellschaft ziehen sich wie ein roter Strang durch die Jahre ihrer Beiträge. Aber sie beschäftigte sich auch auf wissenschaftlicher Ebene mit neuen Themen wie Gentechnologie, demographischer Wandel, Globalisierung, intelligentes Wohnen. Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und die Gleichberechtigung der Frauen interessierten sie ebenso wie viele kulturelle Themen. Sie recherchiert immer gewissenhaft und äußert sich präzise.
Ebenso schrieb Hildegard Neufeld berührende biographische Beiträge, die zeitgeschichtliche Bedeutung haben (z.B. über Flucht, Vertreibung und neue Heimat, Emigration-Immigration, Versöhnung). Über diese Themen fungierte sie auch immer wieder als der Jugend zugewandte Zeitzeugin in dem großen virtuellen Alt-Jung-Projekt KOJALA des ZAWiW und war dort als Lesepatin engagiert.
Neben der Weiterbildung und Kommunikation über das Netz ist ViLE die reale Zusammenarbeit vor Ort in regionalen und lokalen Gruppen besonders wichtig. Bundesweit werden gemeinsam Lernprojekte und Begegnungen durchgeführt, die auch das persönliche Kennenlernen und Miteinander der Teilnehmer fördern und zum Erfahrungsaustausch beitragen. So entstand unter federführender Mitwirkung von Erna Subklew und Hildegard Neufeld das Projekt „Gemeinsam lesen“, sie gründeten eine Regionalgruppe Frankfurt, und in Kombination von regelmäßigen monatlichen Treffen und virtueller Zusammenarbeit mit den „Frankfurterinnen“ und Interessierten aus ganz Deutschland wurden über mehrere Jahre gemeinsam ausgewählte belletristische Bücher besprochen und manchmal auch sehr gegensätzlich diskutiert.
„Bad Urach“, das Bildungshaus der Landeszentrale für politische Bildung in Bad Urach, war von Anfang an und über viele Jahre ein wichtiger realer Treffpunkt für die ViLE-Mitglieder, die thematischen Wochen waren Inspiration für alle und beflügelten den Austausch untereinander, real und virtuell. Hier entstanden viele Freundschaften, die auch im Alter trugen, wenn eine aktive Mitarbeit nicht mehr möglich war, so auch bei Hildegard.
Hildegard entschied sich sehr früh, selbstbestimmt in eine Form des betreuten Wohnens zu gehen -auch dazu gibt es einen Artikel -, um die Zeit der Pflege selbstbestimmt mitzugestalten. So lebte sie seit 2015 im Kurstift in Bad Homburg, wo sie sich immer gut aufgehoben fühlte. Das Schreiben und die Computerarbeit fiel ihr in den letzten 6 Jahren zunehmend schwer, aber geistig war sie noch immer an den Entwicklungen bei ViLE und den dort abgehandelten Themen interessiert, freute sich über Besuche und Briefe und schrieb fleißig zurück..
Noch einmal die dritte Lebensphase von Hildegard Neufeld bei ViLE durchzugehen hat bei mir viele gute Erinnerungen geweckt an eine lebendige Zeit des realen und virtuellen Austauschs in der ViLE-Gemeinschaft. Hildegard hat entscheidend dazu beigetragen. Klein, ruhig, bescheiden, wie sie war, konnte sie sich aber auch hartnäckig einsetzen, wenn sie von etwas überzeugt war. Hildegard war eine Frau mit viel Wissen und großer Offenheit gegenüber Neuem, stets zuverlässig und freundlich. Ihr und Erna Subklew, den beiden „grandes dames“ von Vile, verdankt unser Verein Vieles. Hildegard Neufeld schlief nun im hohen Alter friedlich ein. Eine bewegte und bewegende Lebensgeschichte von fast 100 Jahren geht damit zu Ende, und eine Geschichte des positiv bejahten Alterns und trotz körperlichen Einschränkungen in den letzten Jahren positiv erlebten hohen Alters, hier kann sie uns allen ein Vorbild . Wir sind dankbar, dass wir von ViLE so lange ein Stück des Weges gemeinsam mit ihr gehen durften, für die, die sie kennen lernen durften, wird sie unvergesslich bleiben.
Unser aufrichtiges Mitgefühl gilt ihrer Familie
Gez. Carmen Stadelhofer, akad Dir’in,
bis 2012 Geschäftsführerin des ZAWiW
bis 2016 Vorsitzende von ViLE e.V.