Malerin
von Erla Spatz-Zöllner
„Lotte Laserstein – diesen Namen wird man sich merken müssen. Die Künstlerin gehört zu den allerbesten der jüngeren Malergeneration. Ihr glanzvoller Aufstieg wird zu verfolgen bleiben.“
Berliner Tagblatt 1929

(Foto Wanda Debschitz-Kunowski – Public Domain)
Lotte Laserstein wurde 1898 in Preußisch Holland (Ostpreußen) geboren, als erstes Kind des wohlhabenden Apothekers Hugo Laserstein und seine Frau Meta. 1902 starb der Vater, und Meta zog mit ihren beiden Töchtern, Lotte und Käte, nach Danzig. Dort lebten sie im Haushalt der mütterlichen Großmutter Ida Birnbaum und deren unverheirateter Schwester, der Malerin Elsa Birnbaum. Lotte besuchte die Malschule ihrer Tante und wollte bereits mit 5 Jahren Malerin werden. Um den Töchtern eine möglichst gute Ausbildung zu ermöglichen, übersiedelte die Familie Laserstein 1912 nach Berlin. Hier machte Lotte 1918 Abitur und begann Philosophie und Kunstgeschichte zu studieren, da ein Studium an der Akademischen Hochschule für Bildende Künste nur für Männer erlaubt war. Sie besuchte eine Schule für Gebrauchsgraphik und begann eine private Kunstausbildung bei Leo von König.
Erst ab 1919 durften Frauen in Deutschland ein akademisches Studium der Bildenden Künste aufnehmen. Nicht zuletzt, weil das Zeichnen und Malen von Akten mit nackten Modellen zwar die Königsklasse der akademischen Ausbildung darstelle, aber für Frauen als unschicklich galt. Lotte Laserstein studierte dann von 1921-1927 an der Akademischen Hochschule für Bildende Künste (ab 1924 Vereinigte Staatsschulen für freie und angewandte Kunst) in Berlin bei Erich Wolfsfeld. Sie hätte ihn gern geheiratet. Von 1925-1927 war sie Wolfsfelds Meisterschülerin.
Wegen der Wirtschaftskrise verarmte die Familie, und Lotte musste ihr Studium als Illustratorin und Graphikerin finanzieren.
1925 wurde sie mit der „Ministermedaille“ des Preußischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst für besondere künstlerische Leistungen ausgezeichnet.
In diesem Jahr lernte sie ihr späteres Modell und ihre lebenslange Freundin, Traute Rose, kennen.
Schon 1928 kaufte die Stadt Berlin ihr Gemälde „Im Gasthaus“
Bis 1933 konnte Lotte Laserstein sich als anerkannte Malerin etablieren. Mit ihren Bildern traf sie den Nerv der Zeit. Traute Rose, eine Sängerin und Schauspielerin, verkörperte das ideale Modell für die moderne emanzipierte Frau, die Lotte darstellen wollte: Selbständig, berufstätig und sportlich. Die Künstlerin war stolz auf ihre akademische Ausbildung und malte sicherlich auch deshalb zahlreiche Akte, eine Disziplin, die früher den Männern vorbehalten war und an die sich Frauen nicht wagten.
Laserstein gründete ihr eigenes Atelier, etablierte eine Malschule zur Vorbereitung auf das Kunststudium, nahm an zahlreichen Ausstellungen und Wettbewerben teil, und wurde Mitglied und zeitweise Vorsitzende im „Verein der Berliner Künstlerinnen“. Sie war sehr gut in der Kunstszene vernetzt. 1931 hatte die Malerin eine Einzelausstellung in der Berliner Galerie Gurlitt.
Das Gemälde „Abend über Potsdam“ von 1930 gilt heute als ihr Hauptwerk.
Ist die vom Bild ausgehende Melancholie und Vereinzelung der Personen eine Vorahnung auf die politische Entwicklung? Mit der Machergreifung der Nationalsozialisten 1933 wird Lotte Lasersteins erfolgreiche Karriere jäh unterbrochen und zerstört.
Obwohl protestantisch getauft, wurde sie als sogenannte Dreiviertel-Jüdin eingestuft. Sie erhielt keine Ausstellungsmöglichkeiten mehr, wurde aus dem Verein der Berliner Künstlerinnen ausgeschlossen und konnte keine Malmaterialien mehr kaufen. Ihr Schüleratelier wurde geschlossen. Geld verdienen konnte die Malerin nur noch als Kunstlehrerin an einer jüdischen Privatschule.
1937 erhielt die Künstlerin eine Einladung zu einer Ausstellung der Stockholmer „Galerie Moderne.“ Laserstein konnte einen Großteil ihrer Gemälde mitnehmen und nutzte diese Gelegenheit zur Emigration nach Schweden. Ein Schritt, der ihr sehr schwer viel! Musste sie doch ihre Mutter, ihre Schwester und all ihre Freunde und Freundinnen, zurücklassen. Sie verlor ihr berufliches Umfeld und ihre Anbindung an die deutsche Kunstszene.
Durch eine Scheinehe mit einem jüdischen Kaufmann (Sven Marcus), mit dem sie nicht zusammenlebte, erwarb sie die lebensrettende schwedische Staatsbürgerschaft. Bis zu ihrem Tod lebte sie in Schweden, zunächst in Stockholm, ab 1954 in Kalmar. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit Porträt- und Landschaftsmalerei und fand auch ein neues Modell, genannt „Madeleine“. Aber ihre Werke hatten meist nicht mehr die Qualität und Stärke ihrer früheren Bilder. Lotte Laserstein sprach von einem Gefühl der verlorengegangenen Erdung. „Sie (die Nazis) haben alles kaputt gemacht, draußen und drinnen, gründlich.“ Vergeblich versuchte sie ihre Mutter, ihre Schwester und deren Lebensgefährtin nach Schweden zu holen. Ihre Mutter, Meta Laserstein, geb. Birnbaum, starb 1943 im KZ Ravensbrück, ihre Schwester Käte überlebte, schwer traumatisiert. Sie konnte sich der Deportation entziehen und überlebte in einem Berliner Versteck. Diese schweren Verluste und Traumatisierungen, die Lotte Laserstein erleiden musste, konnten auch spätere Wiedergutmachungszahlungen und eine staatliche Rente nicht ungeschehen machen. Sie führten jedoch ab 1961 zur finanziellen Unabhängigkeit der Künstlerin.
1963 wurde Lotte Laserstein Mitglied des Berufsverbandes schwedischer Künstler. 1977 erhielt sie den Kulturpreis der Stadt Kalmar.
Lange Zeit geriet ihr Werk in Vergessenheit. Erst 1987 und 1990 führten Ausstellungen in London (Agnew’s und The Belgrave Gallery) zu ihrer Wiederentdeckung und dem Ankauf ihrer Werke durch namhafte Museen. Lotte Laserstein konnte die Ausstellung in London zusammen mit Traute Rose besuchen und erlebte so, noch zu Lebzeiten, die internationale Würdigung ihrer Werke.
In Deutschland folgten Ausstellungen in Berlin (2003/2004 Das Verborgene Museum: „Lotte Laserstein. Meine einzige Wirklichkeit“) und Frankfurt/Main (2018 Städelmuseum: „Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht“
Quellen:
https://dasverborgenemuseum.de/kuenstlerinnen/laserstein-lotte
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/lotte-laserstein/
https://www.arte.tv/de/videos/089123-000-A/die-wiederentdeckung-der-lotte-laserstein/
https://de.wikipedia.org/wiki/Lotte_Laserstein
https://arolsen-archives.org/news/lotte-laserstein-die-neue-frau/
https://www.lostwomenart.de/artist/lotte-laserstein/
Bilder (Bing-Bildersuche):
Selbstporträt ~ 1934
Im Gasthaus 1927
Abend über Potsdam 1930
In meinem Atelier 1928
Ich und mein Modell 1929
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=SCztzlFYk3Y