Besuch der Baumwollspinnerei in Leipzig

von Axel Cantstetter

Etwa eine halbe Stunde von der Innenstadt per Bahn-Fahrt entfernt, liegt Europas größte ehemalige Baumwollspinnerei. Sie ist eine riesige denkmalgeschütze und in Umnutzung befindliche Industrieanlage.

Es handelt sich dabei um eine ehemalige Fabrik mit einer eigener kleinen Stadt von ca 6 ha Größe. Von den 4 Spinnerei-Straßen und den restlichen 20 Gebäuden sind fast alle noch erhalten, sodass eine Bruttogeschossfläche von 100.000 m² zur Verfügung steht – etwa die Hälfte davon wird bisher genutzt.

Leipziger Baumwollspinnerei (Plakat von 1909. Public Domain)

Die 1884 erbaute Anlage umfasste neben den Fabrikgebäuden noch alle sozialen Einrichtungen einer Stadt – so gab es Kindergarten, Badeanstalt,Turnhalle, Schule, Arbeiterhäuser, viele Wohnungen sowie Ärzte. Läden,Gaststätten und Schrebergärten entstanden in unmittelbarer Nähe.

Es arbeiteten um 1910 etwa 2000 Arbeiter in der Fabrik und ca 1000 in den Kolonien Afrikas. Die Wohnsiedlung umfasste ca 4.000 Personen.

Während des 2. Weltkrieges wurde weiter Baumwollgarne produziert, aber auch Waffen wurden hergestellt. Nach dem Krieg wurde die Produktion wieder komplett aufgenommen. 1989 arbeiteten noch fast noch1650 Menschen in der Fabrik.

Eingangsbereich (Foto Axel Cantstetter)

Nach der Wende wurde die gesamte Anlage von der Treuhand verkauft.

In den 90er Jahren gab es viele kulturelle Nutzungen, freie Theater, Künstler, Architekturbüros, Dependenzen vom Schauspielhaus etc.

Dann sollte ein großes Wohnprojekt von den Käufern entwickelt werden , was aber scheiterte. Und es entwickelte sich die ganze Anlage immer mehr zu einem kulturellen Zentrum. Heute gibt es mehr als 100 Künstler-Ateliers , über 20 Gallerien, Werkstätten, Kino, Druckerei, Theaterwerkstätten, Tanz- und Graphikzentrum.

Heute ist es eins der interessantesten Produktions- und Ausstellungsstätten für zeitgenössische Kunst und Kultur in Europa.

Und der Zulauf und die Vielfalt nimmt immer noch zu , da von den riesigen Gebäudekomplexen erst die Hält genutzt wird.

Unsere Führung begann in einem riesigen Ausstellungsraum mit aktueller Kunst der örtlichen KünstlerInnen und einem dahinterliegenden kleinen Geschichtsmuseum mit Werkzeugen und historischen Bildern.

Man sah sofort, dass es sehr anstrengende Arbeitsbedingungen waren. Gearbeitet wurde in 3 Schichten, da die Spinnereien Tag und Nacht liefen.

Gebäudeteil (Foto Axel Cantstetter)

Die1½ stündige Führung konnte nur Teile der Anlage umfassen – aber die wichtigsten waren dabei: die riesigen Spinnerei-Gebäude, die untereinander unterirdisch verbunden waren, die Produktionshallen, das kleine Kino, einige moderne Galerien – die von dem international bekannten Künstler Neo Rauch war leider geschlossen – sowie eine Porzellanwerkstatt mit wunderbaren, hauchdünnen Bechern, Schalen und anderen Objekten. Einige zückten sofort das Portmonai – solche Kostbarkeiten gibt es nicht überall.

Das Außengelände ist noch im ursprünglichen Zustand, lediglich extrem gefährliche Hindernisse sind beseitigt.

Der Charme der ganzen Anlage liegt tatsächlich darin, dass die Ursprungsarchitektur komplett erhalten ist und die Änderungen nur in den Gebäuden stattfinden. Und auch von einigen Nobel-Galerien abgesehen sind die Kosten für viele Künstler noch tragbar. Und genau diese Mischung ist es , die alles so interessant und auch attraktiv macht.

Trotz der großen Hitze konnten wir dann noch privat auf Eroberungstour gehen und danach trafen wir uns alle in dem am Eingang gelegenen großen Cafe/Restaurant und ließen den eindrucksvollen Nachmittag ausklingen.

Wir sind gespannt, wie die weitere Entwicklung dieses riesigen Kunst und Kulturzentrums weitergeht, das weder von der Stadt, noch vom Land, noch vom Bund gefördert wird – sondern nur durch private Investitionen der Nutzer und Betreiber. Für zukünftige Besucher: Übernachtungsmöglichkeiten in

Quellen: WIKIPEDIA
Fotos: Axel Cantstetter und Annegret Oelgaard